»Ich fresse einen Besen, wenn das ein natürlicher Tod ist!« – Während Frederike die tote Martha in ihrem Bett betrachtet, enthüllt ein Sonnenstrahl die kaum wahrnehmbaren verräterischen Einblutungen unter dem Augenlid der Toten. Gerade noch hat Doktor Hoffmann auf Herzinfarkt getippt und den Totenschein entsprechend ausgefüllt. Doch Frederike Suttner ist sich sofort sicher: Hier hat irgendjemand nachgeholfen.
Mit ihrem Mordverdacht sorgt die pensionierte Kriminalkommissarin in dem beschaulichen Eifeldorf für erhebliche Aufregung. Eigentlich wollte sie gemeinsam mit Kater Hannelore in Ruhe ihre Rente genießen, doch plötzlich stolpert sie über mehrere »natürliche« Todesfälle. Ihr Misstrauen ist geweckt.
Im Rahmen der Kriminale „Nordeifel Mordeifel“ bereiteten an unserem Flugplatz Andrea Revers in „Komm gut heim“ und Herbert Pelzer in seinem Roman „Es wird jemand sterben“ mörderisches Vergnügen. Über 40 Krimifans waren in den Hangar 208 gekommen, um sich von den beiden AutorInnen Auszüge aus deren aktuellen Kriminalromanen vorlesen zu lassen und natürlich auch die Köpfe dahinter kennen zu lernen.
Andrea Revers wurde 1961 in Brühl geboren, ist Diplom-Psychologin, studierte Publizistik und Kommunikationswissenschaften und machte eine Ausbildung zur Journalistin und Marketing-Beraterin. Sie lebt in der Eifel und widmet sich nach langjähriger Tätigkeit als Management-Trainer und Coach nun voll und ganz dem Schreiben. 2011 wurde sie für den »Deutschen Kurzkrimipreis« nominiert. Mit Ihrem Romandebüt „Schlaf schön“ erweckte Andrea Revers vor einem Jahr die „Eifeler Miss Marple“ Frederike Suttner zum Leben und schickt nun diese in „Komm gut heim“ erneut auf Täterjagd im eigenen Dorf, bei der sich vermeintlich natürliche Todesfälle bald als Morde an älteren Menschen herausstellen…
Nach einer Pause versprach Herbert Pelzer „Es wird jemand sterben“.
1955 – Ein Dorf am Rande der Eifel. Die Kriegsspuren sind größtenteils beseitigt, und die Bewohner schauen voller Zuversicht nach vorn. Nicht so die geflüchtete Metha Markwitz in einem kleinen Dorf am Rande der Eifel, die mit ihrer Tochter Ursula gegen Kriegsende wie so viele aus dem Osten fliehen mussten. Im Dorf am Rande der Eifel kommen sie in einer Behelfsunterkunft unter, die auch als Nissenhütte bekannt ist. Die Idylle im Dorf wird jäh von einer Reihe schrecklicher Vorfälle getrübt. In diesem heißen Sommer verschwinden Menschen spurlos, finden bei Unfällen den Tod oder werden ermordet. Mit Verdächtigungen ist man schnell bei der Hand: Der Dorftrottel könnte es gewesen sein oder der verkommene Sonderling vom Dorfrand, der seine Frau schlägt.
Als die Serie von Todesfällen nicht abreißt, wird Kommissar Kaul aus der Kreisstadt Düren ins Dorf geschickt. Er ist jung und ehrgeizig und wagt den Blick hinter die biederen Fassaden. Er ist dem Bösen auf der Spur, das ganz unerwartet über das Dorf gekommen ist.
Herbert Pelzer (Jahrgang 1956) gelang es, mit „Es wird jemand sterben“ gleichzeitig aus einem Krimi einen Nachkriegsroman zu machen. Er lebt und schreibt auf dem platten Land vor den Toren Kölns. Zuletzt hat er bis zum Frühjahr 2020 in der Film- und Fernsehausstattung gearbeitet, daneben widmete er sich seit einigen Jahren dem Schreiben. Seit 2008 verfasste er Beiträge zur Regionalgeschichte, 2017 erschien mit „Durch die Jahre“ sein Debütroman. Seine Bücher beschäftigen sich vordergründig mit der Nachkriegsgeschichte seiner Heimat. Schon auf den zweiten Blick entpuppen sie sich als Familienromane, in deren er sorgfältig und schonungslos die gesellschaftlichen Verwerfungen und Abgründe des nicht immer idyllischen Landlebens offenlegt.
Ein besonderes Schmankerl präsentierte Andrea Revers zum Abschluss des Abends mit ihrem speziell für den Abend und die besondere Location geschriebenen Kurzkrimi „Tod unter Flügeln“.
Tod unter Flügeln
„Lesung unter Flugzeugflügeln“ – so hatte es geheißen. Ein vielversprechender Titel, fand Ulla, die in der hintersten Reihe Platz genommen hatte. Sie blickte sich in dem gut gefüllten kleinen Hangar um, der üblicherweise Platz bot für zwei Ultraleichtflugzeuge. Heute ging es hier gemütlicher zu. Ein Flugzeug stand dekorativ vor dem offenen Hangar. Stattdessen hatte man einige bequeme Stühle aufgestellt mit Blick auf ein kleines Lesepult, hinter dem der Autor auf seinem Barhocker thronte und mit sonorer Stimme aus seinem neusten Kriminalroman vorlas. Das Publikum folgte gespannt dem Lesefluss. Über der Menge „schwebte“ das zweite Ultraleichtflugzeug, Jürgens ganzer Stolz. Jürgen war ihr Ehemann. Er saß einige Reihen vor ihr, direkt unter „Herta“, wie er sein Flugzeug getauft hatte. Herta hieß auch seine erste große Liebe, die er nie vergessen hatte und der er anscheinend immer noch nachtrauerte. Wäre es nach Ulla gegangen, hätte Herta ihren Jürgen gerne geschenkt kriegen können, doch die hatte wohl schon vor dreißig Jahren die Nase voll von ihm und ihn in den Wind geschossen. Ulla zog die Nase kraus. Das würde sie auch zu gerne tun. Doch leider war Jürgen derjenige mit der ordentlichen Pension. Sie war gefangen in einer typischen Hausfrauenehe. Eine Scheidung konnte sie sich nicht leisten. Und er sich auch nicht, dachte sie und blickte nach oben, denn seit er die Fliegerei als Hobby für sich entdeckt hatte, ging das ganze Ersparte für Flugstunden und Fluggerät drauf. Sie betrachtete fasziniert das Flugzeug über sich. Natürlich schwebte es nicht, sondern war unter der Holzdecke geparkt, sicher befestigt durch einen motorbetriebenen Seilzug.
Ein Keuchen ging durch die Menge. Anscheinend wurde es gerade richtig spannend. Obwohl Ulla gerade ganz andere Sorgen hatte, spürte sie, wie auch sie in den Sog des Krimis geriet. Der Autor verstand es aber auch nur zu gut, die Geschichte vor ihren Augen lebendig werden zu lassen. Immer tiefer geriet sie in den Strudel der Verwicklungen und Wendungen und vergaß die Welt um sich herum. Die Spannung im Publikum war greifbar – in den dramatisch gesetzten Sprechpausen hätte man eine Stecknadel fallen hören können.
Plötzlich drangen Geräusche in die atemlose Stille – ein Quietschen, ein Reißen, ein Ächzen. Ulla schob sich mit ihrem Stuhl nach hinten, raus aus dem Hangar. Das Publikum blickte aufgeschreckt um sich, nur wenig Blicke verirrten sich nach oben… und da krachte auch schon Herta mit ihren 330 Kilogramm in die aufkreischende Menschenmenge.
Ulla betrachtete distanziert das Chaos um sich herum. Von Jürgen war nichts zu sehen. Er lag irgendwo unter der völlig zerstörten Herta. Vereint mit seiner großen Liebe, dachte Ulla zynisch. Ein Mann schubste sie zur Seite und lief, laut nach Hilfe rufend, in Richtung des Bistros, eine Frau telefonierte hektisch mit der Notrufzentrale. Andere leisteten erste Hilfe bei den Verletzten. Zwei Männer, die sich hier anscheinend auskannten, versuchten, das Flugzeug wieder in die Höhe zu ziehen, um die darunterliegenden Menschen zu erreichen. Doch Ulla wusste, dass das nicht so einfach werden würde. Sie hatte am Nachmittag angeboten, beim Putzen des sonst ziemlich knüsseligen Hangars zu helfen und auf der Leiter stehend Spinnweben zu fegen. Und immer wenn keiner guckte – und welcher Mann guckte schon freiwilig einer Frau beim Putzen zu? – hatte sie mit einem kleinen Taschenmesser und einer Feile das Seil so aufgefasert, dass es im Laufe der Zeit durch Hertas Gewicht geschwächt nachgeben würde. Ullas große Sorge war das Timing gewesen. Herta sollte auf jeden Fall dran glauben. Das hatte sie schon vor einigen Monaten geplant. Umso besser, wenn es auch Jürgen traf. Zwei Fliegen mit einer Klappe! Mit der Witwenpension käme sie gut zurecht, das hatte sie sich alles akribisch ausgerechnet. Doch brauchte sie eine passende Gelegenheit. Ihr erster Gedanke war, Hertas Motor zu manipulieren und das Flugzeug inklusive Jürgen zum Absturz zu bringen, doch dafür reichten ihre technischen Fähigkeiten nicht aus. Gift im Thermobecher? Da wäre man ihr sofort auf die Spur gekommen. Doch diese Lesung? Ein Geschenk des Himmels. Wann sonst saß Jürgen stundenlang direkt unter seiner geliebten Herta? Egal, ob im Theater, in der Oper oder im Kino – er platzierte sich immer weit vorne, mittig, beste Sicht, gute Akustik. So auch hier – war ja schließlich sein Hangar! Zahlendes Publikum hin oder her. Durch die Corona-Abstandsregeln war rund um ihn herum ein Korridor frei geblieben, so dass sich der Kollateralschaden in Grenzen hielt. Ulla brauchte sich nur auf ihre schwache Blase zu berufen und er hatte sich nicht gewundert, dass sie hinten geblieben war. Natürlich war auch sie ein gewisses Risiko eingegangen, der Propeller hatte sie noch gestreift und so langsam begann sich der Schmerz in der linken Schulter in ihr Bewusstsein zu drängen. Aber das war auch gut so – brachte sie aus der Schusslinie.
Nun war es vollbracht. Endlich. Auch, wenn es ihr um die anderen Verletzten durchaus leidtat. Aber waren die nicht gekommen, um Mord und Totschlag zu erleben? Na also! Der Autor lag mit einer stark blutenden Kopfwunde zusammengesunken über seinem Buch, anscheinend vom Heck schwer getroffen. Sein Blut tropfte mit kaum hörbaren Ploppgeräuschen von der Tischplatte auf den Hangarboden, wo sich bereits eine Blutlache gebildet hatte. Der Ärmste, hoffentlich hatte er keinen Hirnschaden. Wäre schade um ihn – so ein begnadeter Erzähler. Schade auch, dass sie den Krimi nun nicht mehr zu Ende hören konnte.
Jetzt musste sie sich doch tatsächlich das Buch kaufen!
Wer an dem Abend nicht dabei sein konnte und nun Lust auf die vorgestellten Bücher bekommen hat, findet hier die nötigen Informationen: